Hallo alle zusammen, Ja, trotz Anthrax, Autoversicherung und abstuerzenden Flugzeuge habe ich diese Semester irgendwie ueberlebt und deswegen endlich Zeit mal zu schreiben was ich hier im Land der unbegrenzten (Un-)Moeglichkeiten so mache. (Obwohl nach Einstein, muesstet ihr mir eigentlich schreiben, den relativ von mir aus gesehen, habt ihr euch alle viele tausend Meilen von mir fortbewegt ... ;-) ) Fuer die Ungeduldigen: Wer keine Lust hat das Nachfolgende zu lesen und lieber Bilder anschaut: http://www.eden.rutgers.edu/~andimai So, jetzt aber mal das Abenteuer von Anfang an: Es war einmal am 15. August als zwei tapfere Studenten der Physik (Stefan, manche kennen ihn vielleicht aus Wuerzburg und ich) in der neuen Welt landeten und gleich mal den Fehler machten in das naechts beste, nicht gelbe (und damit auch nicht staatlich gepruefte) Taxi einzusteigen. Deswegen war die Fahrt dann etwas laenger (unser Taxifahrer konnte keine Karten lesen und kannte sich in New Brunswick nicht aus) und etwas teurer als normal (Geld zaehlen konnte er dafuer umso besser...). Natuerlich waren wir dann zu spaet dran um noch die Schluessel fuer unsere Zimmer im Wohnheim auf dem Unicampus abholen zu koennen und wenn nicht in Stefans WG( wir sind in unterschiedlichen 4er-WGs untergebracht) einer seiner Mitbewohner dagewesen waere, haetten wir wohl unter irgendeiner Bruecke schlafen muessen. So haben wir dann die erste Nacht auf dem Kuchenboden verbracht. Die naechsten Tage haben wir dann erstmal festgestellt, das wir viel zu frueh angekommen sind, denn im August ist die Uni Ruters, State University of New Jersey wie ausgestorben. Es fahren kaum Busse (und wenn doch, dann sollte man nur im Pelzmanteleinsteigen, weil die Klimaanlage immer auf hoechster Stufe laeuft), die Stadt ist zu Fuss ca. 45 min entfernt und der naechste Lebensmittelmarkt 15min (mit dem Auto, zu Fuss haben wir dass nie getestet und Busse fahren auch keine hin) und alle sindim Urlaub. Ohne Auto ist man sozusagen im Niemandsland gelandet ( und das obwohl New Jersey zu den am dichtesten bevoelkerten und bebauten Staaten in den USA zaehlt) weswegen ich auch dann so schnell wie moeglich ein Auto gemietet hab ( bei so einem dubiosen Lokalanbieter, der keine Fragen gestellt hat nach Alter, Fuehrerschein,Herkunft der Kreditkarte oder Fahrziel) mit dem wir dann erstmal noch eine Woche durch die Gegend fahren wollten. Vorher haben wir allerdings gleich am ersten Wochenende einen Tag in New York verbracht (von New Brunswick aus nur ca. 50 min mit dem Zug bis nach Manhattan) und natuerlich gleich mal aufs Dach des World Trade Center (welch kluge Entscheidung so im Nachhinein..) ohne allerdings zu ahnen, dass das schon unser letzter Ausflug dahin sein sollte, denn die Sicht war an diesem Tag echt schlecht und wir wollten eigentlich nochmal hin. Den Rest vom Tag sind wir planlos durch den Suedteil von Manhattan gelaufen (u.a. durch die haessliche Wallstreet, koennte echt mal neu geteert werden) und durch die Hoelle gegangen (Ueberlebenstip fuer New York: Niemals im Sommer an der Ubahnstation am Timessquare austeigen, die Hitze dort bringt einen um, den komischerweise gibts dort keine Klimaanlagen, in den Zuegen friert mannatuerlich...). Am naechsten Tag gings dann mit unserem Mietwagen nach Albany, weil dort auch noch ein paar Physikstudenten aus Wuerzburg studieren. Allerdings ohne Karte von Albany und ohneAdresse, das heisst voellig planlos. Irgendwie haben wirs dann doch geschafft richtig anzukommen und am naechsten Tag sind wir dann gleich weiter nach Burlington (am Lake Champlain in Vermont) um Natascha (Huhu, wie gehts dir denn so in Wue ?) zu besuchen, die dort gerade Urlaub bei ihrem Onkel gemacht hat. Natuerlich wieder ohne Karte und ohne genaue Adresse, aber irgendwie haben wirs wieder geschafft. Die Natascha haben wir dann gleich mitgenommen auf unseren Roadtrip, den am naechsten Tag gings durch den Nationalpark Adirondacks (echt super dort; ich hatte noch nie soviel Spass beim Autofahren wie dort; rauf und runter wie auf der Achterbahn und wunderschoen im Sommer) nach Buffalo zu den Niagarafaellen. Dass war ein ziemlicher Stresstag; denn da wir Geld sparen wollten und die Automietidee von mir war, war ich der einzige Fahrer, der fahren durfte (laut Mietversicherungsvertrag), so dass ich gefahren (9h) und die anderen zwei gepennt haben. In Buffalo haben wir dann zwei Naechte ebenfalls bei Physikerkollegen verbracht( die haben dort ein ganzes Haus fuer weniger Geld gemietet als wir in unserem Wohnheim bezahlen; dafuer liegts allerdings ziemlich im Ghetto (Kommentar Stefan zu Buffalo: " Extrem haesslich hier!") Dafuer waren die Niagarafaelle sehr beeindruckend und nass( Wir standen drunter (zumindest fast)). Nach 2 Ubernachtungen sind wir dann die ganze Strecke wieder retour gefahren haben uns in Lake Chamberlain nochmal an den Strand gelegt und sind ueber Albany wieder heimgefahren. Insgesamt sind wir(oder besser gesagt ich) 1700 meilen in einer Woche gefahren und im Nachhinnein kann ich nur sagen: Es war das einzig richtige, was wir machen konnten, auch wenns teuer war; denn seitdem hatten wir keine Zeit mehr fuer groessere Ausfluege. Der Rest vom Semester war etwas eintoeniger: (" Dann koennen wir morgen ja wieder Physik machen!" "Wieder? Wann haben wir denn aufgehoert?"). Obwohl es auf den ersten Blick eigentlich nicht so schlimm aussieht: Ich hab 2 Vorlesungen (je 3h pro Woche), die frueheste hat um 11.30 Uhr (klingt traumhaft, oder?) begonnen. Allerdings waren die Vorlesungen (Allgemeine Relativitaetstheorie und Vielteilchen-QM) hier entweder hammerschwer, oder chaotisch oder beides und ausserdem musste man ja hier wie leider in Dtl. auch Uebungsaufgaben rechnen (manches aendert sich nie). Dazu kommt dann allerdings noch meine Thesis bei Prof.David Merrit ( wer ihn nicht kennt, so wie ich vorher, kann ja mal folgenden Artikel lesen: http://www.spiegel.de/wissenschaft/0,1518,146596,00.html Der Mann ist also echt beruehmt und versteht anscheinend was er tut, auch wenn auf mich anfangs nicht so den Eindruck machte) Ich versuch ja hier meinen Master of Science Abschluss zu machen, wo ich recht viel programmieren muss (Eine Computersimulation zur Berechnung der Bewegung der Sterne einer Galaxie) und dann war ich auch noch Praktikumsbetreuer fuer ein Lab ( hab ich ich eigentlich nur gemacht, weils soviel Kohle dafuer gibt, aber es war recht lustig, wenn auch manchmal etwas "confusing" fuer meine Schueler (undergraduatestudenten) da mein englisch noch nicht gerade astrein ist. (Naja, am Anfang macht man sich ja noch Gedanken, wie es richtig uebersetzt heissen sollte; inzwischen macht es mir nichts mehr aus schlechtes Englisch zu sprechen ;-) ) Alles in allem hat das gereicht um einen neuen persoenlichen Negativrekord dieses Semester zu erreichen: bis 4(!!)Uhr frueh in der Uni. Und der 11. September hat auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen. War schon ein echt mulmiges Gefuehl als ich am 11. hier die Nachricht vom Einsturzt des Gebaeudes gehoert hab auf dem wir 3 Wochen vorher noch gestanden hatten. Eigentlich war hier echt fuer einige Tage Kriegsstimmung, ueberall Polizei, Manhattan evakuiert, Uni geschlossen und nat. totales Verkehrschaos um New York herum. (Ein Student hier hat mir erzaehlt, dass seine Eltern mit dem Greyhoundbus von Washington nach New York unterwegs waren; da NY aber evakuiert wurde musste der Bus umdrehen; da aber Washington DC ebenfalls gesperrt worden ist(nach dem Angriff aufs Pentagon) konnte er auch nicht zurueck und sie mussten im Bus uebernachten.). Das naechste Mal bin ich deswegen auch erst wieder im Oktober nach NY gekommen,aber nicht zu Ground Zero (war noch gesperrt, genauso wie einige Wolkenkratzer) Erst seit November war es zumindest fuer mich wieder etwas entspannter, denn wir konnten dann endlich (nach 5(!!) Wochen Wartezeit auf unsere Autoversicherung,wg. dem Anthrax hat die Post naemlich extrem lang gebraucht und die Autoversicherung hat echt noch alles dazugetan, um uns in den Wahnsinnzu treiben; wenn noch einer sagt, die Buerokratie in Dtl. waere schlimmder hat echt noch nicht Amerika erlebt) mit unserem im Oktober gekauftenAuto (Pontiac GrandAm 2.5Liter, saeuft nat. wie ein Loch) fahren und auch fuer noch ein paar Trips u.a. nach Princeton( da kommen "alle" unsere Professoren her; Rutgers ist echt sowas wie eine erste Aufnahmestelle fuer Physikprofs von Princeton, deswegen gibts hier echt ziemlich viele beruehmte Leute) und zum "hiken" in die Adirondacks nutzen. Was bleibt sonst: Ich lebe mit 2 Chinesen und einem Inder (Priesterkaste und deswegen sowas wie militanter Vegetarier) zusammen, und eigentlich seh ich sie kaum. Mit richtigen Amis hab ichs eigentlich sehr selten zu tun; praktisch alle Physikgraduatestudenten sind Foreign students, die meisten aus Indien, Asien, Osteuropa, Lateinamerika und Europa. Auch im Wohnheim, dass allerdings nuer fuer Grads ist, sind die meisten Foreign students, so dass man eigentlich kaum richtiges Amerikanisch hoert. (Dafuer kann ich schon auf chinesisch "guten Tag" sagen) Auch die guten Parties, die es hier zum Anfang des Semesters jede Woche gab, waren fast ausschliesslich von auslaendischen Studenten besucht. Einmal hab ich den Fehler gemacht zu einer mehr oder weniger offiziellen Undergraduateparty (90% aller Undergrads sind Amis) zu gehen, die sich "Octoberfest" nannte. Hat um 8 Uhr angefangen, ich kam um 10 Uhr dort an und hab nur festgestellt, dass esschon wieder aus war; kein Wunder es gab kein(!) Bier, da es fuer Undergrads organisiert war, die meistens noch unter 21 sind. Ansonsten war es richtig schlecht: Per Videobeamer haben sie Szenen aus Oktoberfestbierzelten an die Wand gestrahlt und entsprechende Musik dazu gespielt. Aber ich hab ne Menge andere Deutsche Studenten(die meisten kommen aus Konstanz) dort getroffen, die genauso reingefallen sind wie ich (und Stefan). Was nur zeigt was im Land der unbegrenzten (Un-)Moeglichkeiten alles moeglich ist: - Oktoberfest ohne Bier - dafuer haben die hier eine 1.0 Promille Grenze in NJ(wozu? die erreichen die hier eh nie) - Wir hatten 36h Stromausfall in unserem Wohnheim; warum? Zu hoher Energieverbrauch hat die Transformatoren zerstoert(allerdings nicht der Energieverbrauch im Wohnheim, sondern der im Footballstadion in der Naehe, soviel zum Thema modernes Stromnetz in Amerika!) - es gibt hier Fussgaengerampeln an Kreuzungen, zu denen allerdings kein Fussgaengerweg fuehrt(kein Witz) - Ich waer beinahe im Gefaengis gelandet, nur weil ich einen MP3-Player uebers Internet kaufen (fuer diese Geschichte ist hier kein Platz mehr...) - man kann hier am Nachmittag auf dem Kinderkanal "Full Metal Jacket" schauen, aber wenn mal ein bisschen nackte Haut (selbst australische Ureinwohner auf dem Dicoverychannel) gezeigt wird oder F-woerter, dann wird es ausgeblendet. - Autokaufen ist einfacher als Automieten, - allerdings muss man es innerhalb von 10 Tagen nach dem Kauf registrieren, sonst zahlt man Strafe aber man kann sein Auto nur dann registrieren, wenn man eine Autoversicherung hat und das dauert mehrere Wochen(zumindest in NJ) - Benzin ist so billig wie Wasser aus dem Supermarkt (95Cent/Gallon) - Klimaanlagen in Gebauden lassen sich kaum abschalten( Ergebnis z.B. in der Physik:die Klimaanlage war kaputt (aber nicht abschaltbar) und hat nur noch gekuehlt und nicht mit warmer Luft gemischt= "angenehme" ca. 5-10 Grad Celsius im Gebaeude; draussen dafuer 30 Grad und Kondenswasser an den Fensterscheiben aussen! Wenn man sich an die obigen Sachen allerdings gewoehnt hat, kann man es hier auch ganz gut aushalten (aber nicht laenger als ein Jahr) - das Radioprogramm ist besser als in good old Germany (zumindest wer auf Rock steht) allerdings ist das auch noetig, sonst wuerden bei diesem wahnsinnigen Verkehr noch viel mehr Fahrer Amok fahren - Klamotten und Unterhaltungselektronik sind hier billiger als in Dtl. (dass sind allerdings die einzigen Sachen; alles andere ist 2-3mal teurer) - inzwischen glaub ich, dass von allen Unis im NO der USA in unserem Austauschprogramm Rutgers die beste Wahl ist(abgesehen von der Wohnungssituation), jedenfalls nachdem was ich von den anderen Unis gehoert hab.(z.B haben wir nur 10min Fusssweg bis zum naechsten Sportzentrum und auch keine(!!) Klausuren hier gehabt) - Das Wetter hier in NJ ist geil; die Anzahl nicht sonniger Tage seit August kann ich noch an 2 Haenden abzaehlen (dafuer solls dieses Jahr in Texas schon geschneit haben) Gruesse ins kalte Dtl ;-) - die Amis (ausser die Buerokraten) sind im allgemeinen sehr hilfsbereit und haben absolut kein Problem damit, wenn du sie in schlechtestem Englisch anstotterst Ah, ich seh grad ich hab schon viel zu viel geschrieben; naja, in 4 Monaten kommt halt was zusammen. Also an alle die es bis hier her durchgehalten haben Viele Gruesse aus dem Amiland, frohe Weihnachten und guten Rutsch ins neue Jahr, Andi